Sie haben mit besten Absichten eine Scheidungsfolgenvereinbarung unterschrieben und haben jetzt das Gefühl, dass Sie mehr Pflichten als Rechte haben. Oder die Scheidung wird zeitlich verschoben, Sie haben aber Angst, dass sich damit einiges Inhaltliche zum Nachteil für Sie produzieren wird. Völlig klar, dass Sie jetzt überlegen, ob Sie denn diese Scheidungsfolgenvereinbarung für ungültig erklären lassen können.
Mündliche und privatschriftliche Vereinbarungen sind ohnehin rechtsunverbindlich
Zunächst eine gute Nachricht: Haben Sie die Scheidungsfolgenvereinbarung nur in mündlicher oder in privatschriftlicher Form getroffen, ist die Vereinbarung rechtlich nicht verbindlich. Genau genommen gibt es nichts zu widerrufen. Die Vereinbarung ist aus sich heraus nicht wirksam und begründet weder Rechte noch Pflichten. Die Vereinbarung hat allenfalls moralische Bedeutung.
Aus Gründen der Fairness gebietet sich allenfalls, den Partner oder die Partnerin darüber zu informieren, dass Sie die mündliche oder privatschriftlich getroffene Scheidungsfolgenvereinbarung nicht weiter anerkennen. Ihr Partner hat keine Möglichkeit, Sie in die Pflicht zu nehmen. Ergeben sich umgekehrt aus der Vereinbarung Rechte zu Ihren Gunsten, haben auch Sie keine Möglichkeit, sich auf diese Rechte zu berufen.
Sie brauchen also den rechtlichen Werkzeugkoffer nur auszupacken, wenn Sie die Scheidungsfolgenvereinbarung notariell beurkundet haben. Nur dann brauchen Sie sich Gedanken darüber zu machen, auf welchem Weg Sie die insoweit rechtsverbindlich gestaltete Scheidungsfolgenvereinbarung angreifen.
Aufhebung mit Zustimmung des Partners
Erkennt der Partner Ihre Kritik an, lässt sich die Scheidungsfolgenvereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen aufheben. Für diese Aufhebung gelten die gleichen Formvorschriften wie beim Abschluss der Vereinbarung. Sie müssten also in einem gemeinsamen Notartermin eine einvernehmliche Aufhebungserklärung unterzeichnen und beurkunden lassen. Andernfalls ist die Aufhebung nicht verbindlich. Die ursprünglich abgeschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung hätte weiterhin Bestand.
Neuabschluss mit Zustimmung des Partners
Möchten Sie die bestehende Scheidungsfolgenvereinbarung neu gestalten, bleibt es Ihnen unbenommen, die Scheidungsfolgenvereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Partner neu abzuschließen. Voraussetzung wäre sicherlich, dass Ihr Wunsch gute Gründe hat und auch aus Sicht des Partners nachvollziehbar ist. Ein Argument könnte auch darin bestehen, dass Sie sich durch die bestehende Scheidungsfolgenvereinbarung in Ihren Rechten benachteiligt sehen und der Partner damit rechnen muss, dass die fortbestehende Vereinbarung im Scheidungsverfahren durch das Familiengericht für ungültig erklärt werden könnte.
In der Konsequenz müssen Sie die Vereinbarung dann erneut notariell beurkunden. In der neuen Urkunde wäre zu vermerken, dass die frühere Scheidungsfolgenvereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen der Ehegatten aufgehoben wird und die Ehegatten eine neue Scheidungsfolgenvereinbarung beurkundet haben. Es versteht sich, dass diese Aufhebungserklärung und der Abschluss der neuen Scheidungsfolgenvereinbarung Notarkosten verursacht. Sie müssen damit rechnen, dass Sie die Notarkosten allein tragen müssen, wenn der Neuabschluss der Vereinbarung auf Ihrer Initiative beruht. Ansonsten wären die Notarkosten aufzuteilen.
Praxisbeispiel
Unerwartete Schwangerschaft
Sie haben in der Scheidungsfolgenvereinbarung auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Ursprünglich sind Sie davon ausgegangen, dass Ihre Ehe kinderlos bleibt und Sie durch eigene Erwerbstätigkeit Ihren Lebensunterhalt gewährleisten können. Überraschenderweise sind Sie schwanger. Ihr Noch-Ehemann ist der Vater Ihres Kindes. Möchten Sie Ihr Kind auch nach der Scheidung selbst betreuen, hätten Sie Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, müsste die Scheidungsfolgenvereinbarung abgeändert werden. Dies gilt umso mehr, als Sie in Ihrem Recht, Ihr kleines Kind zumindest bis zum dritten Lebensjahr persönlich zu betreuen, unangemessen eingeschränkt wären und Ihr Ehegatte damit rechnen müsste, dass das Familiengericht die Vereinbarung für unwirksam erklärt.
Es gibt leider kein Widerrufsrecht
Ist eine Verständigung mit dem Partner oder der Partnerin nicht möglich, ist die notariell beurkundete oder bereits gerichtlich protokollierte Scheidungsfolgenvereinbarung zunächst rechtsverbindlich. Sie haben kein Widerrufsrecht. Widerrufsrechte gibt es nur bei Haustürgeschäften oder Fernabsatzverträgen. Ein Widerrufsrecht oder ein Rücktrittsrecht hätten Sie allenfalls dann, wenn Sie in der Scheidungsfolgenvereinbarung ein solches Recht ausdrücklich vereinbart hätten. Dies ist erfahrungsgemäß aber bei Scheidungsfolgenvereinbarungen in aller Regel nicht der Fall.
Gäbe es ein solches Recht, wäre der Wert einer Scheidungsfolgenvereinbarung gerade im Hinblick auf die anstehende Scheidung stark relativiert. Der Partner müsste damit rechnen, dass die Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Dies könnte die Bereitschaft zu einer mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung regelmäßig einhergehenden einvernehmlichen Scheidung mindestens infrage stellen und eine streitige Scheidung provozieren.
Scheidungsfolgenvereinbarung anfechten
Möchten Sie die Scheidungsfolgenvereinbarung beanstanden, geht das Gesetz andere Wege. Da die Scheidungsfolgenvereinbarung ein Ehevertrag darstellt, kann die Vereinbarung wie jeder andere Vertrag angefochten werden. Dazu brauchen Sie einen Anfechtungsgrund. Um einen Anfechtungsgrund geltend zu machen, müssen Sie Fristen beachten. So muss die Anfechtung wegen Irrtums unverzüglich nach Kenntnis des Irrtums erfolgen. Wurden Sie getäuscht oder bedroht, müssen Sie innerhalb von einem Jahr anfechten, nachdem Sie die Täuschung erkannt haben oder die Drohung ihr Ende gefunden hat. Ein Anfechtungsgrund kommt auch in Betracht, wenn es bei der Beurkundung sonstige Fehler gegeben hat.
Beispiel: Arglistige Täuschung
Sie haben in der Scheidungsfolgenvereinbarung als Zugewinnausgleich eine relativ geringe Summe vereinbart. Sie haben der Erklärung des Partners vertraut, dass sein Aktienpaket keinerlei Wertzuwachs erfahren hat. Da Sie in Erfahrung gebracht haben, dass das Aktienpaket sehr wohl hohe Wertzuwächse verzeichnet hat und Sie deshalb Anspruch auf einen weitaus höheren Zugewinnausgleich hätten, fühlen Sie sich arglistig getäuscht und fechten die Vereinbarung an.
Beispiel: Androhung von Gewalt
In einer Scheidungsfolgenvereinbarung haben Sie auf das Umgangsrecht für Ihr gemeinsames Kind verzichtet, weil der Partner oder die Partnerin im Gegenzug einen hohen finanziellen Ausgleich bewilligt hat oder Sie unter Androhung von Gewalt zum Verzicht genötigt hat. Da Sie aber Ihre Verantwortung als Elternteil nicht aufgeben und Ihr gesetzlich verbrieftes Umgangsrecht in Anspruch nehmen möchten, fechten Sie die Vereinbarung an.
Beispiel: Fehlende Sprachkenntnisse
Sie haben die Scheidungsfolgenvereinbarung notariell beurkundet. Da Sie ausländischer Staatsangehöriger sind, haben Sie kaum verstanden, was der Notar vorgelesen hat. Der Notar hätte berücksichtigen müssen, dass Sie sprachunkundig sind und den Text, gegebenenfalls unter Beiziehung eines Dolmetschers, übersetzen müssen.
Inhalts- und Ausübungskontrolle durch das Familiengericht bei der Scheidung
Ist Ihr Scheidungsverfahren beim Familiengericht anhängig, ist ein ganz anderer Weg empfehlenswert. Dazu brauchen Sie nicht über Widerruf, Rücktritt oder Anfechtung nachzudenken. Lassen Sie sich scheiden, müssen Sie die Scheidungsfolgenvereinbarung dem Familiengericht vorlegen. Das Familiengericht wird die Vereinbarung daraufhin überprüfen, ob Sie im Hinblick auf Ihre Rechte und Pflichten möglicherweise unangemessen benachteiligt sind. Es findet eine sogenannte Inhalts- und Ausübungskontrolle statt.
Diese Kontrolle erfolgt auch dann, wenn Sie sich vorab haben anwaltlich beraten lassen und die Scheidungsfolgenvereinbarung notariell beurkundet wurde. Bei der Inhaltskontrolle geht es darum, dass Ihre Vereinbarung nicht zu einer evident einseitigen, unzumutbaren Lastenverteilung führen darf, bei der Sie benachteiligt werden. Im Kern geht es darum, dass jeder Ehepartner in der Lage gewesen sein muss, die Vereinbarung mit zu gestalten. Wurde einem Partner die Vereinbarung hingegen einseitig vom anderen aufdiktiert, wurde der Partner wahrscheinlich nicht angemessen benachteiligt. In diesem Fall könnte das Familiengericht die Vereinbarung für sittenwidrig erklären.
Praxisbeispiel
Massive Beeinträchtigung
In einer immer wieder vorkommenden Fallgestaltung erklärte das OLG Hamm (NJW 2013, 3253) eine Scheidungsfolgenvereinbarung für sittenwidrig. Eine 22 Jahre alte Verkäuferin hatte einer Scheidungsfolgenvereinbarung zugestimmt, die ihr der Ehegatte, ein 48 Jahre alter Ingenieur, mehr oder weniger aufgezogen hatte. So sei eine Vereinbarung sittenwidrig, wenn ein Partner unterdrückt, massiv beeinträchtigt oder gezwungen wird oder intellektuell deutlich unterlegen gewesen ist und keine andere Option hatte, als die Vereinbarung zu unterzeichnen. Vor allem dann, wenn es einen „dominierenden“ und einen „unterdrückten“ Partner gebe oder sich einer der Partner in sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit befinde, müsse eine Scheidungsfolgenvereinbarung kritisch betrachtet und gegebenenfalls für sittenwidrig erklärt werden.
Tipp: Erst (alleine) zum Anwalt, dann zum Notar
Scheidungsfolgenvereinbarungen und Eheverträge beruhen im Regelfall darauf, dass die Ehegatten anwaltlich beraten wurden und ein Notar den Entwurf dann beurkundet hat. Dies ist aber keine Garantie dafür, dass die Vereinbarung in Stein gemeißelt ist. Vor allem wenn sich im Nachhinein die Umstände ändern, auf denen die Scheidungsfolgenvereinbarung beruht, kommt eine Anfechtung in Betracht oder das Familiengericht erklärt die Vereinbarung im Scheidungsverfahren im Wege der Inhalts- und Ausübungskontrolle für unwirksam. Bevor Sie die Vereinbarung infrage stellen, sollten Sie sich anwaltlich informieren. Vermeiden Sie, gegenüber Ihrem Partner in eine Argumentation einzusteigen, die sich im Nachhinein als kontraproduktiv erweist oder in eine Richtung führt, aus der nur schwierig wieder zurückzufinden ist.
Alles in allem
Die beste Empfehlung ist natürlich, dass Sie eine Scheidungsfolgenvereinbarung nur abschließen sollten, wenn Sie sich zuvor kompetent informiert und haben beraten lassen. Haben sich die Umstände oder Ihre Bedürfnisse geändert, wäre im Rahmen einer anwaltlichen Beratung abzuklären, mit welchen Aussichten und mit welcher Strategie Sie die Vereinbarung angreifen könnten. Bei der iurFRIEND-Kanzlei bieten wir Ihnen genau diese Möglichkeiten, entweder als Ehevertrag oder als Scheidungsfolgenvereinbarung in Betreuung und Vorbereitung Ihrer Scheidung.